Text (nach der Ausgabe von 1844, Verlag Victor von Zabern / Mainz)   


    I.

 lch habe stets das R e c h t e nur gewollt; 
Und währt' es lange, ging ich sucbend um, 
Bis ich's erfaßte - Eines bleibt mein Trost: 
Niemals dem U n r e c h t lieh ich meine Stimme!

Anonymus

Aus Spanien.
Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor 

Der Platz ist leer, das Volk hat sich verlaufen,
Der Dampf verflog, die Schüsse sind verhallt;
Nur hier und dort steht einsam noch ein Haufen,
Im Auge Zorn, die Hände starr geballt;
Husaren ziehn - ein Tag der Schmach war euer!
Ihr goßt das Blei, das seine Brust zerriß!
Ihr schoßt es ab! Euch galt sein Wort: „Gebt Feuer!
... Exoriare ahiquis!"

„Geht Feuer!" - Ja, das hat er oft gesprochen,
Wenn er zu Roß durch eure Reihen flog;
Wenn zu der Hufe ungeduld'gem Pochen
Er nun sein Schwert, das makellose, zog!
Für Spaniens Heil, für eurer ,Waffen Fbre'
Wie hat er stets zu führen euch gewußt!
Heut lenkt er wieder eure Feuerrohre,
- 0 Gott, auf seine eigne Brust!

Und wer verdammt ihn? - Er, der jetzt das Ruder
Des morschen Staates in eh´rnen Händen hält!
Der Waffenbruder seinen Waffenbruder!
Nicht wahr - sie schliefen in demselben Zelt?
Ihr saht sie rasten oft in einer Scheuer?
Aus einem Becher tranken sie? - Gewiß!
Ihr saht es oft! - 0 Gott, und heute? - ,,Feuer!
... Exoriare ahiquis!"

So war sein Wunsch: „Laßt mich zu Pferde sitzen!
Ja, laßt mich steigen auf mein liebstes Pferd!
Noch einmal gern säh ich mein Schwert erblitzen,
So wie es Reitern aus der Scheide fährt!
Den ich im Kampf erblickt auf tausend Seiten,
Dem ich seit Jahren dreist die Stirne bot,
Auch jetzt dem Tod möcht ich entgegen reiten -
Gern stürb ich einen Reiterstod!"

Er starb ihn nicht - er ward hinausgefahren!
Gesenkten Halses blieb daheim sein Roß;
Dicht lag der Staub auf seinen Mähnenhaaren'
Indes man draußen seinen Herrn erschoß!
Einförm'gen Hufschlags trat es sein Gemäuer -
Ha, lieber wahrlich knirscht' es ins Gebiß
Und stampfte wiehernd in den Zuruf: ,,Feuer!
. . . Exoriare aliquis!"

Schlank, hoch und herrlich trat er aus dem Wagen,
Dann küßt' er brünstig ein Marienbild.
„In allen Schlachten hab ich dich getragen:
Was du vermochtest, hast du treu erfüllt!
Die dich mir gab, mein Weib, hat dich gesegnet;
Geh zu ihr heim - getan ist deine Pflicht!
Du lenkst die Kugeln, so die Walstatt regnet,
Der Richststatt Kugeln lenkst du nicht!" -

Dann, daß kein Blei an ihm vorüberpfeife,
Gab er den Schützen selber ihren Stand,
Und wies sie an, und richtete die Läufe,
Und riß sich auf sein blitzend Kriegsgewand;
Gab Ring und Kreuz dem Freunde drauf: „Du Treuer!
Dies dem Regenten - meinem Weibe dies!
Zerbrich mein Schwert! Was zaudert ihr? Gebt Feuer!
... Exoriare aliquis!"

Die Salve fiel - was wollt ihr weiter wissen?
Die Salve fiel - sein Auge zuckte nicht!
„Legt an, gebt Feur!" - Zerschmettert und zerrissen
Sank in den Staub sein edel Angesicht! -
So war sein Tod! Ich heiß ihn einen schönen!
Es war ein mut'ger, ritterlicher Fall,
Und er verdient es, daß ihm Verse dröhnen,
Dumpf, wie gedämpfter Trommeln Schall.

Die ihr gehört - frei hab ich sie verkündigt!
Ob jedem recht - schiert ein Poet sich drum?
Seit Priams Tagen, weiß er, wird gesündigt
In Ilium und außer Ilium!
Er beugt sein Knie dem Helden Bonaparte
Und hört mit Zürnen d' Enghiens Todessehrei:
Der Dichter steht auf einer höhern Warte
Als auf den Zinnen der Partei.

Drum auch: soll ja, was jener ernst gesprochen,
Jetzt oder später in Erfüllung gehn,
Soll aus der Opfer blutbespritzten Knochen
Ein Held, ein Rächer flammend auferstehen -
Nicht sei's für sie! Was Einzelnen Altäre!
Dir nur, o Spaniens kriegszerrißne Mark,
Dir nur, du Land altritterlicher Ehre,
Zwei Arme wünsch´ ich, fest und stark.

Unselig Land, dich wollt ich, daß sie rächten!
Du liegst und stöhnst - kein Helfer tritt heran.
Du gleichst dem Stier in deinen Stiergefechten,
Der blutend zuckt und doch nicht sterben kann.
Die Völker sehn's, sie stehn geschart im Kreise!
Daß er dich rette, tritt kein Einz'ger vor?
Ein Matador! - Wen lüstet nach dem Preise? -
„Ein Reich für einen Matador!"

Nicht, daß er vollends dich zum Tod verwunde -
Nein, daß er heile deine Wunden dir!
Noch ist es Zeit! - Noch hast du Kraft! - Gesunde!
Wirf deine Quäler, Andalusia´s Stier!
Noch wehn in Büscheln deines Hauptes Haare,
Dein Auge glüht, scharf noch ist dein Gebiß!
Ein Matador! - Wer wagt's? - - Exoriare!
Exoriare aliquis!

Anmerkungen


Zu Immermann's Gedächtnis.

Hierher soll man junge Leute führen, damit sie den Eindruck eines soliden, redlich gewandten Daseins gewinnen; hier soll man sie drei Gelübde ablegen lassen, das des Fleißes, der Wahrhaftigkeit, der Consequenz. Wir sind weit mehr in Andern vorhanden, als in dem, was wir unser Selbst nennen. Die ganze Bedeutung des höheren Lebens ist eben, aus uns heraus zu gelangen und in Anderen eine verklärte Persönlichkeit zu gewinnen. Denkt man dies recht durch, so verliert der Tod den größten Theil seiner Schaurigkeit, selbst wenn man die Hoffnung persönlicher Dauer auf sich beruhen läßt. Ich glaube an letztere und halte es für wahrscheinlich, daß die Hand, in welcher jedes Stäubchen aufbehalten bleibt, auch das kleine Fünkchen, welches Ich heißt, vor dem Erlöschen in der großen Nacht zu bewahren wissen wird. Nur verliert sich alle ängstliche und ausmalende Betrachtung dieses Punktes an den Särgen so hoher Menschen, wo man mit einem Blicke ihre verstäubende Asche und ihr ewiges wesenhaftes Fortleben auf der Oberwelt umfaßt. Dann erscheint ein unvergängliches Leben schon hienieden verbürgt, dem dereinst die Auferstehung folgen möge, wenn sich die Zeiten erfüllt haben werden. Immermann, Tagebücher über Goethe's Haus und Goethe's Grab.

So lehnt' er fromm dort seinen Wanderstab,
Ein Heros selbst, an der Heroen Grab;
Gesenkt das Haupt, ein ernster Pilgersmann,
Trat an die Särge dienend er heran,
Und ließ voll Muth Unsterblichkeitsgedanken
Als Todtenkranz um ihren Staub sich ranken.

Ein Opfer, wie er's bringen mußte! - Keins,
Das würd'ger wäre! - Tief ergreift und Eins:
Daß er, der Hohe selbst, der es gebracht,
Sobald schon einging in die „große Nacht";
Daß er es brachte nur, um uns zu lehren,
Wie wir ihn selbst im Tode würdig ehren!

Gescheh' es denn! Wir fassen und ein Herz!
Verwunden jetzt der erste jähe Schmerz!
Wir wissen es, ein Gott hat ihn gefällt,
Am Boden reglos liegt der starke Held;
Doch eisenadrig trotzt er der Vernichtung,
Ein edler Fels im Walde deutscher Dichtung.

Drin wird er ragen - jetzt und immerdar!
Für Viele noch ein schroffes Räthsel zwar;
Ein Runenstein, mit Moose rauh bedeckt,
Der den Verzagten und den Blöden schreckt;
Doch stets des Volkes Edelsten und Größten
Ein ernster Freund, zu wecken und zu trösten!

Als solcher dastehn wird er alle Zeit!
Wie um ihn her auch toben mag der Streit,
Wie unter'm Beil der Jahre Baum an Baum
Zusammenrasselt - er vernimmt es kaum!
Der Aar des Ruhmes zieht in treuen Kreisen
Um seine Stirn: - laßt uns ihn glücklich preisen!

Und doppelt glücklich, weil mit eh'rnen Tritt,
Recht als ein Sieger, er von dannen schritt;
Weil, eh' er ihn verließ, auf seinem Pfad
Sieg noch auf Sieg, That folgte noch auf That,
Und weil die spät noch in sein Leben glänzte,
Weinend die Liebe seinen Tod bekränzte!

So wurden die Heroen einst entrückt!
So die Propheten! - Nachsah tief gebückt
Des Volks, der Nächsten kummervolle Schaar!
Bald aber senkte Tröstung wunderbar
In ihre Brust sich! Sie erhuben Steine,
Und legten Kränze drauf! - Wo steht der seine?

Sucht ihn nicht auf in einer Fürstengruft!
Er hat ein Grab in frischer Rheinesluft;
Das Land der Berge sendet Waldeshauch
Dem jungen Gras, dem jungen Rosenstrauch,
Die es umwehn; frei netzt es Thau und Wolke -
Bei Fürsten nicht, er ruht bei seinem Volke.

Sei es ein Zeichen! - Wie wir ruhn ihn sehn
Bei allem Volke, wird er auferstehn
Im Herzen auch des Volks: - er selbst, verklärt
In uns, in Andern! - Ew'gen Lebens Heerd
Dieß stumme Grab, auf das wir sinnend blicken,
Und es nach Kräften würdig möchten schmücken!

Sein bester Schmuck, was er uns selbst vermacht!
Was er im Herzen frisch uns angefacht:
Erinnerung, Gedanke, Bild und Wort,
Weih' es in Andacht Jeder diesem Ort!
Kehr' es ihm wieder, rein und ohne Fehle -
Mir klingt es also recht in tiefer Seele:

O, schweift' ich wieder, wo ein Bursch' ich war,
Auf meiner Heimath waldbewachs'ner Haar,
O, ständ' ich wieder, wenn die Drossel schlägt,
Dort, wo der Hofschulz Vehmgericht gehegt,
Auf Lisbeth's, Oswald's, meinem eignen Boden -
Da bräch' ich still des Holzes grünste Loden!

Ich flöchte sie zum schattenreichen Kranz;
Den sollt' er haben, frisch und voll und ganz;
Den legt' ich fromm auf seinen schlichten Stein!
Westphälisch Laub! Es müßt' ihn doch erfreun!
Gewiß, er nähm' ihn - aus der Blätterfülle
Des Eichkamps seiner prächtigen Idylle!

Und zu des Kranzes Rauschen spräch' ich dann:
Das soll ein Dank sein, du gewalt'ger Mann!
Du Mann der Liebe, wie der schroffen Kraft,
Wahr, fest, beharrlich, eisern-eichenhaft,
Fast wie ein Hofschulz! einen stillen Segen
Und diesen Kranz laß auf dein Grab mich legen!

Du weißt es nicht, was ich dir schuldig bin!
Auf dich, als Leuchtthurm, blick' ich täglich hin!
In Kunst und Leben irrt' ich, ach, schon viel:
Dein hohes Bild gab Richtung mir und Ziel!
Aus deinem Grabe noch vor wenig Wochen
Hast du erschütternd mir in's Herz gesprochen!

In Goethe's Räumen jenes ernste Wort!
Wie eine Glocke hör' ich's fort und fort!
Es stürmt mich auf, und ruft beständig mir:
Thu' das Gelübde! - Wohl! doch thu' ich's hier!
Bei dir, dem Festen, den man hieß den Starren,
Gelob' ich Fleiß, Wahrhaftigkeit, Beharren!

Zu deinem Ziele führen nur die drei!
Laß mich, mir selbst und meinem Pfunde treu,
Nach seinem Maße fürder thun mit Lust,
Was meines Amtes - ruhig und bewußt
Mich oben haltend in der Zeitfluth Ringen!
Hilf mir, du Starker! hilf und laß gelingen!

So würd' ich reden! - Und ich rede so!
Bald auch der Eiche Blätter hol' ich froh
Von meiner Heimath Oberhöfen dir:
Heut' sei der Rheinstrom treuer Bote mir!
Dieselbe Fluth, die jetzt zu meinen Füßen
An's Ufer schlägt, wird morgen dich begrüßen!

Sie mag dies Lied dir tragen niederwärts! -
Ich weiß es nicht, mir ist so kühn um's Herz;
Hell durch die Brust mir bebt ein muth'ger Klang:
Für dich kein Lied, wie ich es Grabbe sang!
Das Haupt gehoben! Dein der Sieg, der Friede!
Weh' Beider Odem auch in diesem Liede! -

Den Todten Ehre, sei ihr Schlummer lind,
Die Rath und Stab noch den Lebend'gen sind;
Die ew'gen Lichtes vorglühn unsrer Bahn;
An deren Gruft, wenn wir ihr zitternd nahn,
Um leise weinend ein Gebet zu stammeln,
Wir frischen Muth und neue Thatkraft sammeln!


Ein Flecken am Rhein.

Gruß dir, Romantik! - Welch ein prächtig Nest!
Mit seines schlanken Mauerthurmes Zinnen,
Mit seiner Thore moosbewachs'nem Rest!
Mit seiner Burg, so schartig und so fest,
Wie reißt es sieghaft meinen Geist von hinnen!
Gruß dir Romantik! Träumend zieh´ ich ein
In deinen schönsten Zufluchtsort am Rhein!

Drin weilst du noch! Im schlichten Nonnenkleid
Blickst Du mich an durch die bemalten Scheiben.
Es hat geächtet dich die Nüchternheit,
Ach, und die Klugheit dieser hast'gen Zeit;
Sie möchten gern dich ganz und gar vertreiben.
In kleinen Ufervesten, morsch und grau
Birgst du dich zitternd, wunderbare Frau!

Doch - ach, in Kirchen, die des Schmuckes baar,
Dort ist die Statt, wo deine Seele jammert!
In öden Kirchen, mit zerwehtem Haar,
In öden Kirchen knie'st du am Altar;
Und hälst mit Weinen brünstig ihn umklammert,
In seines Schattens ewigheil'ger Ruh'
Suchst eine Freistatt deinem Schmerze du.

Und bist dieselbe doch, die einst mit Lob
Und trunkner Scheu des Volkes Beste nannten;
Die Ludwig Tieck einst auf den Zelter hob,
Die keck den Forst der Poesie durchstob,
Arnim, Brentano deines Zugs Trabanten.
Die Waldung glühte, silbern sprang der Born,
Und wie ein Mährchen scholl das Wunderhorrn.

Das war vordem! - Jüngst ging ich am Gestad;
Grün floß der Strom: nicht Volker sah ihn reiner.
Ein Dampfboot zog vorüber seinen Pfad,
Tief in die Wellen griff es mit dem Rad,
Und auf dem Deck stand deiner Priester Einer:
Der jüngste wohl - und doch schon grauen Haars
Um die gewölbten Schläfen: Uhland war's!

Wir kannten uns - wir grüßten uns. Vorbei
Mein einsam Städtchen schwamm er zu den Dänen.
Auf uns hernieder sah die Lorelei,
Im Hals erstickt' ich einen Freudenschrei,
Doch in den Augen hatt' ich helle Thränen.
Trüb klang ein Lied in meiner Seele Schrein;
Das hieß: „Drei Bursche zogen über'n Rhein!"

Ja, dieß der Rhein! Die Woge mit dem Hort,
In dessen Strahl sich Uhlands Wimper sonnte!
Und dort er selbst! die Sängerlippe dort,
Romantik, ach, die mit gefeitem Wort
All' deinen Zauber noch verkünden konnte!
Das Auge dort, das tief im Elfenbusch
In deiner Bronnen Spiegel klar sich wusch!

Du wußtest es, daß er vorüberzog!
Aus Burg und Felsriß durch des Morgens Nässe
Sahst du hernieder, und ein Lächeln flog,
Ein sonnig Lächeln, als das Schiff sich bog,
Durch deiner Züge kummervolle Blässe.
Mit trüber Freude sahst du auf den Knie'n
Auf deinem Strome deinen Dichter ziehn.

Da flog er hin, der letzte Rauch verschwamm!
Da flog er hin, dein jüngster, reinster Kämpfer!
Dein Lächeln floh, trüb stand der Berge Kamm,
In meinem Herze pocht' es wundersam:
Dein letzter Ritter - ach, und auf dem Dämpfer!
Dahingerissen von der neuen Zeit
Des Mittelalters fromme Trunkenheit!

Ein Gleichniß nur! - Doch kam es über mich,
Und nicht vermocht' ich's trotzig abzuweisen;
Daher die Trauer, die mich überschlich.
Du Stille, Bleiche, ja verhülle dich!
Die Zeit, o Herrin, ist für dich von Eisen!
Kalt unterwühlt sie dein vermorscht Asyl -
Ach, nicht allein mit ihrer Dämpfer Kiel!

Dein Reich ist aus! - Ja, ich versteh' es nicht;
Ein andrer Geist regiert die Welt als deiner.
Wir fühlen's Alle, wie er Bahn sich bricht;
Er pulst im Leben, lobert im Gedicht,
Er strebt, er ringt - so strebte vor ihm keiner!
Ich dien' ihm auch und wünsch' ihm frohen Sieg -
Doch warum dir, Verbannte, deßhalb Krieg?

Dir, deren prächtig Banner ohnehin
Einsam nur weht noch auf zerfallner Mauer!
Dir, der Entthronten! - Mit bewegtem Sinn
Zu deinen Füßen werf' ich still mich hin,
Ein ernster Zeuge deiner Witwentrauer!
Ein Kind der Neuzeit, fiebernd und erregt,
Das um die alte fromm doch Leide trägt!

Nicht wie ein Knabe! - Diese Stunde nur
Zu deinen Füßen klagend will ich sitzen!
Der frische Geist, der diese Zeit durchfuhr,
Er hat mein Wort, ich gab ihm meinen Schwur,
Noch muß mein Schwert in jungen Schlachten blitzen.
Nur eine Stunde! Aber die auch ganz
An deiner Brust, in deiner Glorie Glanz.

 


Ein Brief.

Das war ein lustig Ziehen
Und Reisen durch die Welt!
Das war ein Fackelsprühen
Von Zürich bis zum Belt!
Aus Herzen und aus Küchen
Stieg Weihrauch dir empor;
Pelotons von Tafelsprüchen
Schlugen knatternd an dein Ohr!

Ein neuer Held Sankt Jürgen
Durch Deutschland zogst du frei,
Im Fluge zu erwürgen
Den Molch der Tyrannei!
Wie kommt es, daß der grause
Noch züngelt ungescheut?
Verpaßtest du beim Schmause
Vielleicht die rechte Zeit?

Du trotziger Diktator,
Wie bald zerbrach dein Stab!
Dahin der Agitator,
Und übrig nur - der Schwab!
Verwelkt schon deine Blume!
Dein Kranz, o Freund, hängt schief!
Du schriebst dem eignen Ruhme,
Ach, den Uriasbrief!

Nun können sie dich bänd'gen,
Philister und Zelot:
„Da habt ihr den Lebend'gen!
Er schlug sich selber tot!"
Wen Ruhmeskleider zieren,
Der hüte sie wie Schnee!
Wahr ist es: Renommieren
Verdirbt die Renommée!

Wer sagt, er stände Wache
Für´s Recht, der halte Stich
Und gebe statt der Sache
Nicht immer nur sein Ich!
Der schwinge, wo für´s Ganze
Man ernste Speere bricht,
Ruhmredig nicht die Lanze,
Mit der die Hoffart ficht!

Wer so mit Wein der Ehren
Empfangen ward wie du,
Wie mocht er den betören,
Trank auch ein Volk ihm zu?
O Schmach, im Rausch zu fallen,
In Händen noch den Krug!
Berauscht sich zu erlallen
Des Lächerlichen Fluch!

Das ist's - Wohl wird geschlagen
Ein Held im Kriegsgewühl;
In alt und neuen Tagen
Schritt mancher ins Exil;
Doch rings im Volksgetümmel
Kein Höhnen und kein Groll:
Sein Stern erlosch am Himmel -
Doch rein und würdevoll!

Die Freiheit rang die Hände,
Da seine band der Strick!
Wie todte Fackelbrände
Der Freunde düstrer Blick!
Ringsum Gewitterstirnen,
Rings Murmeln durch´s Visir,
Ringsum verhaltnes Zürnen -
O, ständ´ es so mit dir!

Dir folgt, wie plumpen Schnittern,
Ein Rauschen, hörbar kaum;
Das ist der Triebe Zittern
Am jungen Freiheitsbaum!
Der Knospen und der Triebe,
Die freudig ihn geschmückt!
Die, ach, mit einem Hiebe
Du alle fast geknickt!

So ziehst du! - Was ich sagte,
Wohl klingt es schonungslos!
Doch wer uns Arndt verklagte,
Zog selber sich das Loos!
Du nanntest den alten Riesen
Zu alt zu dieser Frist?
Du hast uns nur bewiesen,
Daß du zu jung noch bist!

Zieh hin - doch um zu kehren!
Die Freiheit kann verzeihn!
Bring ein die alten Ehren,
Mit Liedern bring sie ein!
Der Dichtung Goldstandarte,
Laß wehn sie, doppeltreich -
Poet, wetz aus die Scharte,
Wetz aus den Schwabenstreich!


Mit raschen Pferden jagt die Zeit.

Mit raschen Pferden jagt die Zeit
Ein heißes Weib, nach Freiheit lechzend;
Die halbbewußte Menge schreit,
Gedankenlos als Vorspann ächzend.
Das tapt und tastet, wie man's lenkt;
Sie läßt den blinden Troß gewähren,
Und hält die Zügel straff, und denkt:
„Weh' mir, wenn das die Einz'gen wären!"

Ein Gottweib! Ernst verehr' ich sie,
Und geh' ihr nach mit Schwert und Schilde,
Und jauchz' ihr zu; - doch nun und nie
Entweih' ich sie zum Götzenbilde!
Ich denk an das zu Dschargenat,
Vor dem das Volk in langer Gasse
Dickstirnig hinkniet, daß vom Rad
Es jubelnd sich zermalmen lasse!

 


Die Winde.

Ihr ungeseh'nen Sröme durch die Luft,
Wie triebt ihr eben froh noch euer Spiel;
Ihr trugt die Biene, trugr der Blume Duft,
Und weh'tet heiße Mädchenwangen kühl;
Ihr jagtet Wölkchen durch der Veste Blau;
Von welken Blumen klopftet iht den Thau;
Wie Schneegestöber - o der prächt'gen Schau! -
Katalpa-Blüthen risset ihr vom Stiel.

Jetzt aber brüllt ihr wie der Katarakt!
Ras't wie die Brandung, die an's Ufer prallt;
Die Berge zittern, wie von Furcht gepackt,
Und euch zu Füßen krachend stürzt der Wald.
Vor euch, wie Adler, jagt der Wolken Flucht;
Auf Haus und Hütte wirft sich eure Wucht;
Wie trocknes Herbstlaub in der öden Schlucht
Hebt und zerbricht sie eures Zornes Gewalt!

Die Vögel flattern, ängstlich und verwirrt;
Umsonst! zu Tode schmeißt sie eure Wuth.
Der Regen rasselt, und ein Strombett wird
Ringsum das Feld, soweit die Erndte ruht.
Gießbäche taumeln von der Hügel Höh',
Das Dorf ertrinkt, die Ebne wird zum See,
Und banger Stimmen herzzerreißend Weh'
Erhebt sich jammernd aus der wüsten Fluth.

Ihr saus't aufs Meer; - da werden Männer bleich;
Wohin ihr donnert, Angstruf und Gebet.
Ihr schlagt die Wasser, einem Vogel gleich,
Der lustig badend in der Quelle steht.
Ihr reißt entzwei den Mast und seine Fahn';
Bis auf den Grund peitscht ihr den Ocean;
Berghohe Wellen sprüht ihr himmelan,
Und Trümmer sind's, was ihr zur Küste weht!

Wozu dieß Toben? - Für die Freiheit nicht
Zu ringen braucht ihr, daß ihr also tollt;
Ihr braucht kein Erz zu rütteln, bis es bricht;
Ihr regt die Schwingen wie und wo ihr wollt.
Ja, frei geboren weht ihr überall;
Frei wühlt ihr auf der Tiefe Wogenschwall;
Wälder und Wüsten füllt ihr an mit Schall,
Dazu die Inseln, die das Meer umrollt!

Wohl seid ihr stark! - Doch in Europa liegt,
Weh' ihr, in Ketten eine stärk're Kraft;
Auf Thronen sitzt, was ihren Nacken biegt,
Und überwacht mit Zittern ihre Haft.
Und Krieger stehen in Waffen um sie her;
Wenn sie empor will, ziehn sie mitleidsleer
Die Bande fester, heben hoch den Speer -
Tod ihre Strafe, wenn sie auf sich rafft!

O, wenn einst sie, wenn der gekränkte Geist
Der Menschheit einst auch drüben sich befreit;
Wenn seine Ketten jubelnd er zerreißt,
Und seiner Hügel als ihr Herr sich freut -
O, nicht wie ihr zerstörend ras´ er dann;
Mit Jammer nicht die Erd füll' an;
Mit Blut nicht, das in Menschenadern rann,
Befleck' er wild der Erde Lieblichkeit!

Nein, wie der Frühling mög' er leis enstehen,
Der, was ihn fesselt, bricht mit sanfter Macht;
Wie Odem Gottes naht sein schaffend Wehn: -
Da springt das Eis, der Born entquillt dem Schacht!
Aus dunklem Kerker schießt die Blum' in Hast;
Der Wald erklingt nach langer, dumpfer Rast;
Morgen und Abend, sich begegnend fast,
Erdrücken zwischen sich die alte Nacht. 

Teil II.

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