*)**)***) Da ich der Meinung bin, daß für eine künftige Geschichte der Censur nicht genug Einzelfälle zusammengetragen werden können, so hänge ich hier noch zwei Erkenntnisse des Ober-Censurgerichts an. Eins derselben (das über das Gedicht: "Am Baum der Menschheit ..." ist schon längst allgemeiner bekannt geworden; das andere wird bei dieser Veranlassung - nicht zum ersten Male veröffentlicht, wohl aber zum ersten Male durch die beiden Gedichte commentirt, deren vom Kölner Censor beliebte Unterdrückung es "von Rechts wegen" zu bestätigen für gut fand. Was würde der edle, ehrliche Burns sagen, wenn er sein herrliches "A man ´s a man for a´ that" mit solcher Elle gemessen sähe!

1.

Erkenntniß des königlichen Ober-Censurgerichtes in Sachen der "Kölnischen Zeitung"

Auf die am 8. Januar c. eingegangene Beschwerde des Ferdinand Freiligrath vom 3. Jan. d.J. wegen Versagung der Druckerlaubnis für zwei zur Aufnahme in die "Kölnische Zeitung" bestimmte Gedichte hat das Ober-Censurgericht, nach erfolgter Erklärung des Staats-Anwalts in seiner Sitzung vom 13. Februar 1844, an welcher Theil genommen haben: Der Präsident, Wirklicher Geheimer Ober-Justizrath uns Staatsekretär, Dr. Bornemann, und die Mitglieder: Geheimer Ober-Justizrath Dr. Göschel, Geheimer Obertribunalsrath Ulrich, Wirklicher Legationsrath Graf von Schlieffen, Professor der Rechte Dr. von Lancizolle und Geheimer Finanzrath von Obstfelder, auf den Vortrag zweier Referenten für Recht erkannt:

daß die erhobene Beschwerde für begründet nicht zu erachten, vielmehr die den Druck der gedachten Gedichte versagenden Verfügungen des Censors rsp. vom 30. Dezember pr. und 2. Januar c., wie hierdurch geschieht, zu bestätigen seien.

Von Rechts wegen.

Gründe

Die Grundgedanken, von welchen beide Gedichte ausgehen, sind bei klarer und reiner Auffassung und Anwendung vollkommen wahr, und mögen auch in poetischer Form ausgesprochen und verherrlicht werden. Es ist aber denselben in vorliegenden Gedichten eine solche Wendung und Beziehung gegeben, daß damit den gegen die bestehende, soziale und politische Ordnung der Dinge ankämpfenden Tendenzen - in dem ersten den falschen Freiheits-Ideen, in dem anderen der feindlichen Entgegensetzung der verschiedenen Stände - in aufregender Weise das Wort geredet wird, weshalb die Censurwidrigkeit dieser Gedichte nach Artikel IV. der Censur-Instruction sich klar herausstellt.
Berlin, den 13. Februar 1844

Das königl. Ober-Censurgericht, Bornemann

2.

Erkenntniß des königlichen Ober-Censurgerichtes in Sachen der "Kölnischen Zeitung"

Auf die von Ferdinand Freiligrath vom 27. Januar d..J. eingereichte Beschwerde wegen versagter Druck-Erlaubnis, hat das Ober-Censurgericht, nach erfolgter Erklärung des Staats-Anwalts in seiner Sitzung vom 13. Februar 1844, an welcher Theil genommen haben: Der Präsident, Wirklicher Geheimer Ober-Justizrath uns Staatsekretär, Dr. Bornemann, und die Mitglieder: Geheimer Ober-Justizrath Dr. Göschel, Geheimer Obertribunalsrath Ulrich, Wirklicher Legationsrath Graf von Schlieffen, Professor der Rechte Dr. von Lancizolle und Geheimer Finanzrath von Obstfelder, auf den Vortrag zweier Referenten für Recht erkannt:

daß die Seitens des Censors unterm 14. Januar d. J. ausgesprochene Versagung der Druck-Erlaubnis für ein, für das Feuilleton der "Kölnischen Zeitung" bestimmtes, unter der Ueberschrift:

Am Baum der Menschheit drängt sich Blüth´ an Blüthe,

zur Censur vorgelegtes Gedicht, mit Ausnahme des dritten und vierten Verses der zweiten Strophe, - in dem Betrachte, daß mit der eben bemerkten Ausnahme, der übrige Theil des Gedichtes nichts Censurwidriges enthält, die gedachten beiden Verse aber, als Verunglimpfung einer mit dem preußischen Staate in freundschaftlicher Verbindung stehenden Regierung, nach Artikel IV. der Censur-Instruction unzulässig sind, - wie hiermit geschieht, aufzuheben und dem vorgenannten Gedichte, mit der bezeichneten Ausnahme, die Druck-Erlaubnis zu ertheilen.
Von Rechts wegen
 
Berlin, den 13. Februar 1844

Das königl. Ober-Censurgericht, Bornemann