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Zwischen den Garben
Eine Nachlese
(1847/49)

Inhalt

Die Linde bei Hirzenach
O lieb, so lang du lieben kannst!
Ruhe in der Geliebten
Vision
Die Linde bei Hirzenach

1843
Nur leis bewegt vom lauen Uferwinde,
Roth noch vom Abend, dem erst halb verglühten,
Dein friedlich Dörfchen friedlich zu behüten,
Wie stehst du schön am Rheine da, 0 Linde!

Nun wird es Nacht! Nun eilt mit ihrem Kinde
Die junge Bäurin unter deine Blüthen!
Nun kühlst du auch, die sich am Tage mühten,
Den alten Winzer und sein Hausgesinde!

Der Gute spricht von längst verfloss'nen Jahren;
Er hat als Kind den Freiheitsbaum umsprungen,
Und der warst du - so melden die Berichte.

Nun spielt dein Wehn zahm mit des Greises Haaren
Abtrünnige! Noch hast du nicht geschwungen
Dein letztes Laub! Vorwärts geht die Geschichte
!Anmerkungen

Illustration von Hermann Tischler

O lieb, so lang du lieben kannst!

O lieb, so lang du lieben kannst!
O lieb, so lang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Und sorge, daß dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
So lang ihm noch ein ander Herz
In Liebe warm entgegenschlägt!

Und wer dir seine Brust erschließt,
O tu ihm, was du kannst, zulieb!
Und mach ihm jede Stunde froh,
Und mach ihm keine Stunde trüb!

Und hüte deine Zunge wohl,
Bald ist ein böses Wort gesagt!
O Gott, es war nicht bös gemeint -
Der Andre aber geht und klagt.

O lieb, so lang du lieben kannst!
O lieb, so lang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Dann kniest du nieder an der Gruft,
Und birgst die Augen, trüb und naß
- sie sehn den Andern nimmermehr -
In's lange, feuchte Kirchhofsgras.

Und sprichst: O schau auf mich herab
Der hier an deinem Grabe weint!
Vergib, daß ich gekränkt dich hab!
O Gott, es war nicht bös gemeint!

Er aber sieht und hört dich nicht,
Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst;
Der Mund, der oft dich küßte, spricht
Nie wieder: ich vergab dir längst!

Er that's, vergab dir lange schon,
Doch manche heiße Träne fiel
Um dich und um dein herbes Wort -
Doch still - er ruht, er ist am Ziel!

O lieb, so lang du lieben kannst!
O lieb, so lang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
wo du an Gräbern stehst und klagst!

Ruhe in der Geliebten

So laß mich sitzen ohne Ende,
So laß mich sitzen für und für!
Leg deine beiden frommen Hände
Auf die erhitzte Stirne mir!
Auf meinen Knien, zu deinen Füßen,
Da laß mich ruhn in trunkner Lust;
Laß mich das Auge selig schließen
In deinem Arm, an deiner Brust!

Laß es mich öffnen nur dem Schimmer,
Der deines wunderbar erhellt;
In dem ich raste nun für immer,
O du mein Leben, meine Welt!
Laß es mich öffnen nur der Thräne,
Die brennend heiß sich ihm entringt;
Die hell und lustig, eh ich's wähne,
Durch die geschloßne Wimper springt!

So bin ich fromm, so bin ich stille,
So bin ich sanft, so bin ich gut?
Ich habe dich - das ist die Fülle!
Ich habe dich - mein Wünschen ruht!
Dein Arm ist meiner Unrast Wiege,
Vom Mohn der Liebe süß umglüht;
Und jeder deiner Athemzüge
Haucht mir in's Herz ein Schlummerlied!

Und jeder ist für mich ein Leben!
Ha, so zu rasten Tag für Tag!
Zu lauschen so mit sel'gem Beben
Auf unsrer Herzen Wechselschlag!
In unsrer Liebe Nacht versunken,
Sind wir entflohn aus Welt und Zeit:
Wir ruhn und träumen, wir sind trunken
In seliger Verschollenheit!

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Vision (1843) Anmerkungen

Am Weg, der nußbeschattet
Zum Rheinfels führt empor,
Da trat ich jüngst ermattet
Hin an ein eisern Tor.
Die Pforte war`s zum Acker,
Der abtut alle Not;
Drauf seiner Garben wacker
Hinwirft der grimme Schnitter Tod.

Die Dämm`rung kam verstohlen;
Ihr Wehn in Gras und Baum,
Der Rhein, die Nachtviolen -
Es gab mir alles Traum.
Bis jach ein langsam Schreiten
Mich weckte, da ich sann;
Im Festkleid andrer Zeiten
Trat auf mich zu ein eigner Mann.

Sein Hut war breit von Krempe,
Sein Mantel reich an Staat;
Am Gurt hing ihm die Plempe,
Doch schien er nicht Soldat.
Sein Antlitz war wie Erden;
Sein Auge matt doch stet.
Ich dachte: "Was will werden?"
Da sprach er leise: "Grüß Gott, Poet!

"Ich war in meinen Tagen
Ein Dichter weit genannt;
Ich habe frisch geschlagen
Die Leier durch das Land.
In wüsten Kriegesläuften
Mut singend stand ich da,
Ach, in der blutersäuften
Der zitternden Germania.

"Als sie zur Gruft mich brachten
Nach sturmgetriebner Fahrt,
Da war zu Gang das Schlachten,
Das dreißigjährig ward.
Mir fand ich Kampf beschieden,
Dir fiel die Ruhe zu:
Im dreißigjähr`gen Frieden
Übst deine freud`gen Saiten du.

"Dich stört kein Schwedenjagen
Bei Lied und bei Sonett,
Kein springender Pulverwagen,
Kein krachend Falkonett!
Dich irrt auf deinen Wegen
Kein wallensteinisch Volk!
Dir kreuzen nicht die Degen
Der Weimar und der wilde Holk!

"Doch in die Zukunft spähen
Die Schläfer in der Gruft;
Ein Wechsel wird geschehen,
Und Krieg ist in der Luft!
Gleichwie von zieh`nden Heeren
Erbebt mein Grab schon heut!
Nicht lang mehr wird sie währen,
Die überlange Friedenszeit!

"Schon geht ein feindlich Scheiden
Und Sondern durch die Welt;
Bald suchen sich die Schneiden
Wohl auch im offnen Feld!
Ade dann träumend Sinnen!
Ade, zwei Banner wehn!
Im Kampfe mitten drinnen
Wirst dann auch du bei einem stehn!

"Ich sang in jenem Streite:
Drum gehet tapfer an!
Trittst du auch auf die Seite
Der Freiheit als ein Mann!
Kriegsweisen wolle schmettern!
Was Tod, was Acht, was Bann!
Sing` in den kommenden Wettern -
Auch du: drum gehet tapfer an!" -

Ich sprach: " Nah ist die Fehde,
Und kampfbereit bin ich!
Doch du, mit dem ich rede,
Zinkgref wohl hieß man dich?
Wo du dein Weib erworben
In diesem Sankt Goar
Bist nachmals du gestorben." -
Er sprach zurück: "Du redest wahr!"

Da wollt` ich rasch ihm fassen
Die Hand, doch er entwich;
Hinschwebend in dem blassen
Stromdunst verlor er sich.
Er Schwebt`, als hätt` er Flügel.
Nachließ er keine Spur,
Wie längst sein grüner Hügel
Spurlos verloren ging der Flur.