Burg Rheinfels

ist die größte und eine der großartigsten Burgruinen am Rhein. Sie ist gleichermaßen bedeutsam für die Burgenbaukunst der Grafen von Katzenenbogen im 14. Jh. wie für den Schloß- und Festungsbau des 16. bis 18. Jh. der Landgrafen von Hessen-Kassel.
1245 ließ sie
Graf Diether V. von Katzenelnbogen anstelle einer älteren (durch den Bahnbau des 19. Jh. zerstörten) Talburg erbauen. Bereits 1255/56 wurde eine über einjährige Belagerung des Rheinischen Städtebundes erfolgreich abgewehrt. Im 13. und I4. Jh. weiter ausgebaut, avancierte Rheinfels zur Residenz der Niedergrafschaft und im I4. und 15. Jh. zum kulturellen Mittelpunkt am Mittelrhein mit einem reichem Hofleben. Nach dem Aussterben des Katzenelnbogener-Grafenhauses (1479) fiel die Burg zusammen mit der Niedergrafschaft Katzenelnbogen an die Landgrafen von Hessen-Kassel.
Von 1567-83 war Rheinfels Residenz des Landgrafen Philipp II. von Hessen-Rheinfels (
Grabdenkmal in der Stiftskirche von St. Goar). In den Jahren 1626-47 gehörte das Schloß und die Festung zu Hessen-Darmstadt und diente dem Landgrafen Georg II. (1626-47) ebenfalls als Residenz, bis Rheinfels dann wieder an Hessen-Kassel kam.
Unter dem Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels-Rothenburg (1649-93) wurden die Festungsanlagen erheblich ertweitert.
1692 gelang es im Pfälzischen Erbfolgekrieg die französische Belagerung (28 000 Soldaten) abzuschlagen und damit weitere Burgenzerstörungen am Mittelrhein zu stoppen (vgl. Pfalzgrafenstein, Boppard, Marksburg u. a.). Im I8. Jh. war Rheinfels zeitweise wieder hessische Nebenresidenz, bis sie 1792 den französischen Truppen kampflos überlassen wurde. 1796 wurden die Außenwerke und 1797 Bergfried und Schloß gesprengt. 1812 versteigert, diente sie ab 1818 bis zur Erwerbung der Ruine 1843 durch Prinz Wilhelm von Preußen, den späteren Kaiser Wilhelm I., als Steinbruch für den Wiederaufbau des Ehrenbreitstein .

Seit 1925 ist Rheinfels Eigentum der Stadt St. Goar. Das einst prachtvolle Erscheinungsbild der Burg des Mittelalters und der Renaissance geben die farbigen Aufmaßzeichnungen von Wilhelm Schäfer genannt Dilich 1607/08 wieder.

Rheinfels ist eine Höhenburg in Spornlage auf einem Bergrücken zwischen Rhein- und Gründelbachtal. Die Burg entwickelte sich aus einer relativ kleinen Kernanlage zu einem weitläufigen, komplizierten Festungskomplex: Die heutigen Ruinen bezeichnen nur ein Drittel der Anlage. Zwei Drittel, und zwar Vorwerke, Kasematten, Schanzen und Kasernenbauten des I6. bis I8. Jhs, lagen ca. 30 m höher südlich in Richtung Biebernheim auf dem Wackenberg. Davon sind heute nur noch Geländespuren erkennbar.

I. Auf die Gründungsanlage 1245 ff. geht der viereckige Grundriß der Kernburg zurück mit dem (nur in den Fundamentsmauern erhaltenen) Bergfried, dieser eingestellt in die gewinkelte innere Schildmauer; nur wenig aufgehendes Mauerwerk erkennbar, besonders die südwestliche Längsmauer.
 
2. Im 14 Jh. unter Graf Wilhelm II. von Katzenelnbogen (1332-85) großzügiger Ausbau der Kernburg: Der Bergfried zur Butterfaßform (vgl. Marksburg) aufgestockt; neue Wohngebäude erbaut insbesondere das aus der Nordecke der Kernburg rheinseits vorspringende stattliche dreigeschossige Frauenbaus (jetzt Ruine) mit rheinseitigem Eckrundturm, hofseitigem Treppenturm und umlaufendem Rundbogenfries; ferner vor dem ursprünglichen Halsgraben die gestreckte, mächtige (jetzt stark restaurierte) Schildmauer errichtet mit zwei Türmen an den Enden, rheinseits Uhrturm (= Burgtor) und bergseits Büchsenmeisterturm (vgl. Hohenstein im Taunus, Reichenberg u. a. katzenelnbogische Anlagen).
 
3. Um 1480-1527 durch Landgraf Philipp II. von Hessen (1471-1509) und Landgraf Philipp den Großmütigen (1509-67) Ausbau zur Festung: Der große, zwischen Schildmauer und Kernburg gelegene Halsgraben des 13. Jh. von einem kühn gespannten Tonnengewölbe überdeckt; an der Rheinseite und zum Gründelbachtal hin Vorwerk (Kasematten, teilweise in zwei Geschossen) und am Biebernheimer Feld Außenwerke angelegt.
 
4. Um 1570/80 unter Philipp von Hessen-Rheinfels (1567-83) Ausbau zur Renaissance-Residenz: Die Kernburg, vor allem ihr Rheinflügel, der sog. Darmstädter Bau, durch hohe, prunkreiche (heute sämtlich verschwunden) Fachwerkaufbauten mit Erkern und verzierten Schweifgiebeln ausgezeichnet (vgl. Philippsburg in Braubach und die Zeichnungen von Dilich).
 
5. Anfang 17 Jh. die (teilweise heute noch zugänglichen) weitläufigen Minengänge vor der südwestlichen Längstfront (Bergseite) angelegt und um 1640 unter Landgraf Georg der Darmstädter Bau massiv erneuert (als Ruine erhalten) sowie das Erdgeschoß des „Frauenhauses“ als sog. „Kapelle“ neu gewölbt (1965 ff die Wölbung rekonstruiert).
 
6. In der 2. Hälfte des 17. Jh. unter Landgraf Ernst (1649-93) nochmals starker Ausbau der Befestigungen; so 1657-67 die Forts „Scharfeneck“ (im Osten) und „Noli me tangere“ sowie das „Neue Ravelin“ (jetzt außerhalb und in Privatbesitz) und die „Hohe Ernst-Schanze“ angelegt.
 
7. Nach der Belagerung 1692 Wiederaufbau und Verstärkung der Festungsanlagen, insbesondere der Kasematten und der Biebernheimer Vorwerke.

nach: Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler / Rheinland-Pfalz/Saaland, 1972, S. 771 ff