Inhalt (Auswahl)
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Meiner Frau zum Geburtstage Mit einer Erika
Die Heide, die bei uns zuland
allwärts
ihr Grün vergeudet;
die Berg und Schlucht und Felsenwand
mit
starren Büscheln kleidet;
die hoch und tief sich blicken
läßt,
die bring ich dir zu deinem Fest
in schlichter
irdner Scherbe.
Wo du und ich geboren sind,
da
rauscht sie allerorten;
sie schüttelt sich im Morgenwind
vor
deiner Wartburg Pforten;
sie spiegelt sich in Ilm und Saal,
und
in der Unstrut goldnes Tal
herschaut sie vom Kyffhäuser.
Und auch bei mir mit hellem
Schein
schmückt sie die Bergeshalde;
sie wallt um meinen
Externstein
und rings im Lipp'schen Walde;
da summen Bienen um
sie her,
und durch ihr rotes Blütenmeer
ausschlagend jagt
der Senner.
Der alte Rhein, der
Traubenkoch,
könnt ihrer wohl entbehren;
doch ward auch
ihm die Heide noch
zu seinen andern Ehren.
wie oft an Forst-
und Gründelbach
unter der Birke weh'ndern Dach
winkt' uns
ihr schwellend Kissen?
Da bebt sie spät, da bebt sie
früh,
da flammt sie durchs Gehölze;
da krönt die
siebte Mühle sie
und auch die Silberschmelze;
da krönt
sie Brunn und Felsenschlucht,
oh, möge dieser
Scherbenhucht
an alles das dich mahnen!
Und dann - nicht wahr, seit alter
Zeit
ist es der Brauch gewesen,
daß man aus Pfriemenkraut
und Heid
gebunden hat den Besen?
Den Besen, der die Gassen
kehrt
der wie ein Wetter niederfährt
wo Staub und Wust
sich brüsten!
So sei dir denn auch noch
vertraut
was junge Sagen künden:
bald wird aus niederm
Heidekraut
sich selbst ein Besen binden,
ein ries'ger, der der
Niedertracht
und Sklaverei ein Ende macht
in Deutschland und
auf Erden!
Dann wird auch uns zur Wiederkehr
der
Freiheit Glocke läuten;
dann wird uns keine Scherbe
mehr
Heimat und Herd bedeuten;
dann - doch mir schlägt das
Herz wie toll!
Rasch, gieß mir einen Tummler voll,
daß
ich dich leben lasse!
Brüssel, Dezember 1844
Wer den wucht'gen Hammer schwingt;
wer im Felde mäht die
Ähren;
wer ins Mark der Erde dringt,
Weib und Kinder zu
ernähren;
wer stroman den Nachen zieht;
wer bei Woll und
Werg und Flachse
hinterm Webestuhl sich müht,
daß
sein blonder Junge wachse -
Jedem Ehre, jedem Preis!
Ehre jeder Hand voll Schwielen!
Ehre
jedem Tropfen Schweiß,
der in Hütten fällt und
Mühlen!
Ehre jeder nassen Stirn
hinterm Pfluge! - Doch
auch dessen,
der mit Schädel und mit Hirn
hungernd pflügt,
sei nicht vergessen!
Ob in enger Bücherei
Dunst und Moder ihn umstäube;
ob
er Sklav der Messe sei,
Lieder oder Dramen schreibe;
ob er um
verruchten Lohn
fremden Ungeschmack vertiere;
ob er in
gelehrter Fron
Griechisch und Latein doziere -
Er ist auch ein Proletar!
Ihm auch heißt es: ,Darbe!
borge!"
Ihm auch bleicht das dunkle Haar,
ihn auch hetzt
ins Grab die Sorge!
Mit dem Zwange, mit der Not
wie die andern
muß er ringen,
und der Kinder Schrei nach Brot
lähmt
auch ihm die freien Schwingen!
Manchen hab ich so
gekannt!
Nach den Wolken flog sein Streben -
tief im Staube von
der Hand
in den Mund doch mußt er leben!
Eingepfercht und
eingedornt,
ächzt' er zwischen Tür und Angel;
der
Bedarf hat ihn gespornt,
und gepeitscht hat ihn der Mangel.
Also schrieb er Blatt auf Blatt,
bleich und mit verhärmten
Wangen,
während draußen Blum und Blatt
sich im
Morgenwinde schwangen.
Nachtigall und Drossel schlug,
Lerche
sang und Habicht kreiste -
er hing über seinem
Buch,
Tagelöhner mit dem Geiste!
Dennoch, ob sein Herz auch schrie,
blieb er tapfer, blieb
ergeben:
"Dieses auch ist Poesie,
denn es ist das
Menschenleben!"
Und wenn gar der Mut ihm sank,
hielt er
fest sich an dem einen:
"Meine Ehre wahrt ich blank!
Was
ich tu, ist für die Meinen!"
Endlich ließ ihn doch die Kraft!
Aus sein Ringen, aus
sein Schaffen
Nur zuweilen, fieberhaft,
konnt er noch empor
sich raffen!
Nachts oft von der Muse Kuß
fühlt' er
seine Schläfen pochen;
frei dann flog der Genius,
den des
Tages Drang gebrochen!
Lang jetzt ruht er unterm Rain,
drauf im Gras die Winde
wühlen;
ohne Kreuz und ohne Stein
schläft er aus auf
seinen Pfühlen.
Rotgeweinten Angesichts
irrt sein Weib und
irrt sein Samen -
Bettlerkinder erben nichts
als des Vaters
reinen Namen!
Ruhm und Ehre jedem Fleiß!
Ehre jeder Hand voll
Schwielen!
Ehre jedem Tropfen Schweiß,
der in Hütten
fällt und Mühlen!
Ehre jeder nassen Stirn
hinterm
Pfluge! - doch auch dessen,
der mit Schädel und mit
Hirn
hungernd pflügt, sei nicht vergessen!
Zürich, Februar 1846
In Kümmernis und Dunkelheit,
da mußten wir sie
bergen!
Nun haben wir sie doch befreit,
befreit aus ihren
Särgen!
Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!
Hurra,
du Schwarz, du Rot, du Gold!
Das ist das alte Reichspanier,
das sind die alten Farben!
Darunter haun und holen wir
uns bald wohl junge Narben!
Denn
erst der Anfang ist gemacht,
noch steht bevor die letzte Schlacht!
Ja, die das Banner ihr gestickt,
ihr Jungfern unverdrossen,
derweil am Feuer wir gebückt
uns Flintenkugeln
gossen:
nicht, wo man singt nur oder tanzt,
geschwungen sei's
und aufgepflanzt! -
Denn das ist noch die Freiheit nicht,
die Deutschland muß
begnaden,
wenn eine Stadt in Waffen spricht
und hinter
Barrikaden:
"Kurfürst, verleih! Sonst - hüte dich!
-
sonst werden wir großherzoglich!"
Das ist noch lang die Freiheit nicht,
die ungeteilte, ganze,
wenn man ein Zeughaustor erbricht,
und Schwert sich nimmt und
Lanze;
sodann ein weniges sie schwingt und -
folgsamlich
zurück sie bringt!
Das ist noch lang die Freiheit nicht,
wenn ihr an Brockhaus'
Glase
ausübt ein klirrend Strafgericht
ob einer Dresdner
Nase!
Was liegt euch an dem Sosius?
Drauf - in die Hofburg
Stein und Schuß!
Das ist noch lang die Freiheit nicht,
wenn man, statt mit
Patronen,
mit keiner andern Waffe ficht
als mit
Petitionen!
Du lieber Gott: Petitioniert!
Parlamentiert,
illuminiert!
Das ist noch lang die Freiheit nicht,
sein Recht als Gnade nehmen
von Buben, die zu Recht und Pflicht
aus Furcht nur sich
bequemen!
Auch nicht: daß, die ihr gründlich haßt,
ihr dennoch auf den Thronen laßt!
Die Freiheit ist die Nation,
ist aller gleich Gebieten!
Die
Freiheit ist die Auktion
von dreißig Fürstenhüten!
Die Freiheit ist die Republik!
Und abermals: die Republik!
Die eine deutsche Republik,
die mußt du noch
erfliegen!
Mußt jeden Strick und Galgenstrick
dreifarbig
noch besiegen!
Das ist der große letzte Strauß
-
Flieg aus, du deutsch Panier, flieg aus!
Zum Kampfe denn, zum Kampfe jetzt!
Der Kampf nur gibt dir
Weihe!
Und kehrst du rauchig und zerfetzt,
so stickt man dich
aufs neue!
Nicht wahr, ihr deutschen Jungfräulein?
Hurra,
das wird ein Sticken sein!
Und der das Lied für euch erfand
in einer dieser Nächte,
der wollte, daß ein Musikant
es bald in Noten brächte!
Heißt das: ein rechter Musikant!
Dann kläng es
hell durchs deutsche Land:
London, 17. März 1848
Das war ´ne heiße Märzenzeit,
trotz Regen,
Schnee und alledem!
Nun aber, da es Blüten schneit,
nun
ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem -
trotz
Wien, Berlin und alledem -
ein schnöder, scharfer
Winterwind
durchfröstelt uns trotz alledem!
Das ist der Wind der Reaktion
mit Mehltau, Reif und
alledem!
Das ist die Bourgeoisie am Thron -
der annoch steht,
trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
trotz Blutschuld,
Trug und alledem -
er steht noch und er hudelt uns
wie früher
fast, trotz alledem!
Die Waffen, die der Sieg uns gab,
der Sieg des Rechts trotz
alledem,
die nimmt man sacht uns wieder ab,
samt Kraut und Lot
und alledem!
Trotz alledem und alledem,
trotz Parlament und
alledem -
wir werden unsre Büchsen los,
Soldatenwild trotz
alledem!
Doch sind wir frisch und wohlgemut
und zagen nicht trotz
alledem!
In tiefer Brust des Zornes Glut,
die hält uns
warm trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
es gilt uns
gleich trotz alledem!
Wir schütteln uns: Ein garst'ger
Wind,
doch weiter nichts trotz alledem!
Denn ob der Reichstag sich blamiert
professorhaft trotz
alledem!
Und ob der Teufel reagiert
mit Huf und Horn und
alledem -
Trotz alledem und alledem,
trotz Dummheit, List und
alledem,
wir wissen doch: die Menschlichkeit
behält den
Sieg trotz alledem!
Und ob der Prinz zurück auch kehrt
mit Hurra hoch und
alledem -
sein Schwert ist ein gebrochen Schwert,
ein ehrlos
Schwert trotz alledem!
Ja doch: trotz all- und alledem,
der
Meinung Acht, trotz alledem,
die brach den Degen ihm entzwei
vor
Gott und Welt und alledem!
So füllt denn nur der Mörser Schlund
mit Eisen, Blei
und alledem:
Wir halten aus auf unserm Grund,
wir wanken nicht
trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
und macht ihr's gar,
trotz alledem,
wie zu Neapel jener Schuft:
Das hilft erst
recht, trotz alledem!
Nur, was zerfällt, vertretet ihr!
Seid Kasten nur, trotz
alledem!
Wir sind das Volk, die Menschheit wir
sind ewig drum,
trotz alledem!
Trotz alledem und alledem:
So kommt denn an,
trotz alledem!
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht!
Unser
die Welt, trotz alledem!
Düsseldorf, Anfang Juni 1848
Die Kugel mitten in der Brust, die Stirne breit gespalten,
so
habt ihr uns auf blut'gem Brett hoch in die Luft gehalten!
Hoch
in die Luft mit wildem Schrei, daß unsre Schmerzgebärde
dem,
der zu töten uns befahl, ein Fluch auf ewig werde!
Daß
er sie sehe Tag und Nacht, im Wachen und im Traume -
im Öffnen
seines Bibelbuchs wie im Champagnerschaume!
Daß wie ein
Brandmal sie sich tief in seine Seele brenne;
daß nirgendwo
und nimmermehr er vor ihr fliehen könne!
Daß jeder
qualverzogne Mund, daß jede rote Wunde
ihn schrecke hoch,
ihn ängste noch in seiner letzten Stunde!
Daß jedes
Schluchzen um uns her dem Sterbenden noch schalle,
daß jede
tote Faust sich noch nach seinem Haupte balle -
Mög er das
Haupt nun auf ein Bett, wie andre Leute pflegen,
mög er es
auf ein Blutgerüst zum letzten Atmen legen!
So war's! Die Kugel in der Brust, die Stirne breit gespalten,
so
habt ihr uns auf schwankem Brett auf zum Altan gehalten!
,,Herunter!" - und er kam gewankt - gewankt an unser
Bette;
,,Hut ab!" - er zog - er neigte sich! (so sank
zur Marionette,
der erst ein Komödiante war!) - bleich stand
er und beklommen!
Das Heer indes verließ die Stadt, die
sterbend wir genommen!
Dann ,,Jesus meine Zuversicht!" wie
ihr's im Buch könnt lesen:
Ein ,,Eisen meine Zuversicht"
wär päßlicher gewesen!
Das war den Morgen auf die Nacht, in der man uns erschlagen;
so
habt ihr triumphierend uns in unsre Gruft getragen!
Und wir -
wohl war der Schädel uns zerschossen und zerhauen,
doch lag
des Sieges froher Stolz auf unsern grimmen Brauen.
Wir dachten:
Hoch zwar ist der Preis, doch echt auch ist die Ware!
Und legten
uns in Frieden drum zurecht auf unsrer Bahre.
Weh euch, wir haben
uns getäuscht! Vier Monden erst vergangen,
und alles feig
durch euch verscherzt, was trotzig wir errangen!
Was unser Tod
euch zugewandt, verlottert und verloren -
Oh, alles, alles hörten
wir mit leisen Geisterohren!
Wie Wellen braust' an uns heran, was
sich begab im Lande:
Der Aberwitz des Dänenkriegs, die letzte
Polenschande;
das rüde Toben der Vendée in stockigen
Provinzen;
der Soldateska Wiederkehr, die Wiederkehr des Prinzen;
die Schmach zu Mainz, die Schmach zu Trier, das Hänseln, das
Entwaffnen
allüberall der Bürgerweht, der eben erst
geschaffnen;
die Tücke, die den Zeughaussturm zu einem
Diebszug machte,
die selber uns, die selbst das Grab noch zu
begeifern dachte;
so weit es Barrikaden gab, der Druck auf
Schrift und Rede;
mit der Versammlung freiem Recht die täglich
frechre Fehde;
der Kerkertore dumpf Geknarr im Norden und im
Süden;
für jeden, der zum Volke steht, das alte
Kettenschmieden;
der Bund mit dem Kosakentum; das Brechen jedes
Stabes,
ach, über euch, die wert ihr seid des
lorbeerreichsten Grabes:
Ihr von des Zukunftsdranges Sturm am
weitesten Getragnen!
Ihr Juni-Kämpfer von Paris! Ihr
siegenden Geschlagnen!
Dann der Verrat, hier und am Main im
Taglohn unterhalten -
0 Volk, und inmer Friede nur in deines
Schurzfells Falten?
Sag an, birgt es nicht auch den Krieg? Den
Krieg herausgeschüttelt!
Den zweiten Krieg, den letzten Krieg
mit allem was dich büttelt!
Laß deinen Ruf: ,,Die
Republik!" die Glocken überdröhnen,
die diesem
allerneuesten Johannesschwindel tönen!
Umsonst! Es täte not, daß ihr uns aus der Erde grübet
und wiederum auf blutgem Brett hoch in die Luft erhübet!
Nicht, jenem abgetanen Mann, wie damals, uns zu zeigen -
nein,
zu den Zelten, auf den Markt, ins Land mit uns zu steigen!
Hinaus
ins Land, soweit es reicht! Und dann die Insurgenten
auf ihren
Bahren hingestellt in beiden Parlamenten!
O ernste Schau! Da lägen
wir, im Haupthaar Erd und Gräser,
das Antlitz fleckig,
halbverwest - die rechten Reichsverweser!
Da lägen wir und
sagten aus: Eh wir verfaulen konnten,
ist eure Freiheit schon
verfault, ihr trefflichen Archonten!
Schon fiel das Korn, das
keimend stand, als wir im Märze starben;
der Freiheit
Märzsaat ward gemäht noch vor den andern Garben!
Ein
Mohn im Felde hier und dort entging der Sense Hieben -
Oh, wär
der Grimm, der rote Grimm, im Lande so geblieben!
Und doch, er
blieb! Es ist ein Trost im Schelten uns gekommen:
Zuviel schon
hattet ihr erreicht, zuviel ward euch genommen!
Zuviel des Hohns,
zuviel der Schmach wird täglich euch geboten:
Euch muß
der Grimm geblieben sein - oh, glaubt es uns, den Toten!
Er
blieb euch! Ja, und er erwacht! Er wird und muß erwachen!
Die
halbe Revolution zur ganzen wird er machen!
Er wartet nur des
Augenblicks: dann springt er auf allmächtig;
gehobnen Armes,
wehnden Haars dasteht er wild und prächtig!
Die rostge Büchse
legt er an, mit Fensterblei geladen:
Die rote Fahne läßt
er wehn hoch auf den Barrikaden!
Sie fliegt voran der Bürgerweht,
sie fliegt voran dem Heere -
Die Throne gehn in Flammen auf, die
Fürsten fliehn zum Meere!
Die Adler fliehn; die Löwen
fliehn; die Klauen und die Zähne! -
Und seine Zukunft bildet
selbst das Volk, das souveräne!
Indessen, bis die Stunde schlägt, hat dieses unser Grollen
euch, die ihr vieles schon versäumt, das Herz ergreifen
wollen!
Oh, steht gerüstet! Seid bereit! Oh, schaffet, daß
die Erde,
darin wir liegen strack und starr, ganz eine freie
werde!
Daß fürder der Gedanke nicht uns stören
kann im Schlafen:
Sie waren frei: doch wieder jetzt - und ewig -
sind sie Sklaven!
Düsseldorf, Juli 1848
Wenn wir noch knien könnten, wir lägen auf den
Knien;
wenn wir noch beten könnten, wir beteten für
Wien!
Doch lange schon verlernten wir Kniefall und Gebet -
Der
Mann ist uns der beste, der grad und aufrecht steht!
Die Hand ist
uns die liebste, die Schwert und Lanze schwingt!
Der Mund ist uns
der frommste' der Schlachtgesänge singt!
Wozu noch bittend
winseln? Ihr Männer, ins Gewehr -
Heut ballt man nur die
Hände, man faltet sie nicht mehr!
Es ist das Händefalten
ein abgenutzt Geschäft -
Die linke an die Scheide, die rechte
Hand ans Heft!
Die linke an die Gurgel dem Sklaven und dem
Schuft,
die rechte mit der Klinge ausholend in der Luft!
Ein
riesig Schilderheben, ein Ringen wild und kühn -
Das ist zur
Weltgeschichte das rechte Flehn für Wien!
Ja, Deutschland, ein Erheben! Ja, Deutschland, eine Tat!
Nicht,
wo im roten Dolman einhersprengt der Kroat' nicht,
wo vom Huf der
Rosse das Donauufer bebt,
nicht, wo vom Stephansturme der weiße
Rauch sich hebt,
nicht, wo aus Sklavenmörsern die
Brandraketen sprühn -
nicht dorthin, ernster Norden,
gewaffnet sollst du ziehn!
Nicht dorthin sollst du pilgern zur
Hilfe, zum Entsatz -
allwärts' um Wien zu retten, stehst du
an deinem Platz!
Räum auf im eignen Hause! Räum auf und
halte Stich -
den Jellachich zu jagen, wirf deinen Jellachich!
Ein dreister Schlag im Norden ist auch im Süd ein Schlag;
mach fallen unser Olmütz, und Olmütz rasselt
nach!
Der Herbst ist angebrochen, der kalte Winter naht
0
Deutschland, ein Erheben! 0 Deutschland, eine Tat!
Die Eisenbahnen
pfeifen, es zuckt der Telegraph -
Du aber bleibst gelassen, du
aber bleibst im Schlaf!
Beim Todeskampf der Riesin dastehst du wie
von Stein -
alles, wozu du dich ermannst' ein kläglich
Bravoschrein!
Köln, 3. November 1848
Vor zweiundvierzig Jahren war's, da hat mit Macht geschrien
ein
siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knien;
ein
Kind mit breiter, offner Stirn, ein Kind von heller Lunge,
ein
prächtig Proletarierkind, ein derber Küferjunge.
Er
schrie, daß in der Werkstatt rings des Vaters Tonnen
hallten;
die Mutter hat mit Lächeln ihn an ihre Brust
gehalten;
an ihrer Brust, auf ihrem Arm hat sie ihn
eingesungen:
Es ist zu Köln das Wiegenlied des Knaben hell
erklungen.
Und heut in diesem selben Köln zum Wehn des Winterwindes
und
zu der Orgel Brausen schallt das Grablied dieses Kindes.
Nicht
singt die Uberlebende, die Mutter, es dem Sohne:
Das ganze
schmerzbewegte Köln singt es mit festem Tone.
Es spricht: Du,
deren Schoß ihn trug, bleib still auf deiner Kammer!
Vor
deinem Gott, du graues Haupt, ausströme deinen Jammer!
Auch
ich bin seine Mutter, Weib! Ich und noch eine Hohe -
ich und die
Revolution, die grimme, lichterlohe!
Bleib du daheim mit deinem
Schmerz! Wir wahren seine Ehre -
Des Robert Requiem singt Köln,
das revolutionäre!
So redet Köln! Und Orgelsturm entquillt dem Kirchenchore,
es
stehn die Säulen des Altars umhüllt mit Trauerflore,
die
Kerzen werfen matten Schein, die Weihrauchwolken ziehen,
und
tausend Augen werden naß bei Neukomms Melodien.
So ehrt die
treue Vaterstadt des Tonnenbinders Knaben -
ihn, den die Schergen
der Gewalt zu Wien gemordet haben!
Ihn, der sich seinen
Lebensweg, den steilen und den rauhen,
auf bis zu Frankfurts
Parlament mit starker Hand gehauen!
(Dort auch, was er
allstündlich war, ein Wackrer, kein Verräter!) -
Was
greift ihr zu den Schwertern nicht, ihr Singer und ihr Beter?
Was
werdet ihr Posaunen nicht, ihr ehrnen Orgeltuben,
den jüngsten
Tag ins Ohr zu schrein den Henkern und den Buben?
Den Henkern, die
ihn hingestreckt auf der Brigittenaue -
Auf festen Knien lag er da
im ersten Morgentaue!
Dann sank er hin - hin in sein Blut -
lautlos! - heut vor acht Tagen!
Zwei Kugeln haben ihm die Brust,
eine das Haupt zerschlagen!
Ja, ruhig hat man ihn gemacht: Er liegt in seiner Truhe!
So
schall ihm denn ein Requiem, ein Lied der ew'gen Ruhe!
Ruh ihm,
der uns die Unruh hat als Erbteil hinterlassen -
Mir, als ich heut
im Tempel stand in den bewegten Massen,
mir war's, als hört
ich durch den Sturm der Töne ein Geraune:
Du, rechte mit der
Stunde nicht! Die Orgel wird Posaune!
Es werden, die
du singen siehst, das Schwert in Händen tragen
denn
nichts als Kampf und wieder Kampf entringt sich diesen Tagen!
Ein
Requiem ist Rache nicht, ein Requiem nicht Sühne -
bald aber
steht die Rächerin auf schwarzbehangner Bühne!
Die
dunkelrote Rächerin! Mit Blut bespritzt und Zähren,
wird
sie und soll und muß sie sich in Permanenz erklären!
Dann
wird ein ander Requiem den toten Opfern klingen -
Du rufst sie
nicht, die Rächerin, doch wird die Zeit sie bringen!
Der
andern Greuel rufen sie! So wird es sich vollenden -
Weh
allen, denen schuldlos Blut klebt an den Henkerhänden!
Vor zweiundvierzig Jahren war's, da hat mit Macht geschrien
ein
siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knien!
Acht
Tage sind's, da lag zu Wien ein blut'ger Mann im Sande
Heut
scholl ihm Neukomms Requiem zu Köln am Rheinesstrande.
Köln, 16. November 1848
Reveille
Für
die Revolutionsfeier auf dem Gürzenich zu Köln, 19. März
1848
Frisch auf zur Weise von Marseille,
frisch auf ein Lied mit
hellem Ton!
Singt es hinaus als die
der neuen Revolution!
Der
neuen Revolution!
Der neuen, die mit Schwert und Lanze
die
letzte Fessel bald zerbricht -
Der alten, halben singt es
nicht!
Uns gilt die neue nur, die ganze!
Der Sommer reift des Frühlings Saaten,
drum folgt der Juni
auf den März.
O Juni, komm und bring uns Taten!
Nach
frischen Taten lechzt das Herz!
Nach frischen Taten lechzt das
Herz!
Laß deine Wolken schwarz sich ballen,
bring uns
Gewitter Schlag auf Schlag!
Laß in die ungesühnte
Schmach
der Rache Donnerkeile fallen!
An unsre Brust, an unsre Lippen,
der Menschheit Farbe, heil'ges
Rot!
Wild schlägt das Herz uns an die Rippen -
Fort in den
Kampf! Sieg oder Tod!
Fort in den Kampf! Sieg oder Tod!
Hurra,
sie sucht des Feindes Degen!
Hurra, die ew'ge Fahne wallt!
Selbst
aus der Wunden breitem Spalt
springt sie verachtend ihm entgegen!
Kein offner Hieb in oftner Schlacht -
Es fällen die Nücken
und Tücken,
Es fällt mich die schleichende
Niedertracht
Der schmutzigen West-Kalmücken!
Aus dem
Dunkel flog der tötende Schaft,
Aus dem Hinterhalt fielen die
Streiche -
Und so lieg ich nun da in meiner Kraft,
Eine stolze
Rebellenleiche!
Auf der Lippe den Trotz und den zuckenden Hohn
In der Hand den
blitzenden Degen,
Noch im Sterben rufend: "Die Rebellion"!
-
So bin ich mit Ehren erlegen.
Oh, gern wohl bestreuten mein
Grab mit Salz
Der Preuße zusamt dem Zare -
Doch es
schicken die Ungarn, es schickt die Pfalz
Drei Salven mir über
die Bahre!
Und der arme Mann im zerrißnen Gewand,
Er wirft auf mein
Haupt die Schollen!
Er wirft sie hinab mit der fleißigen
Hand,
Mit der harten, der schwielenvollen.
Einen Kranz auch
bringt er aus Blumen und Mai'n,
Zu ruhn auf meinen Wunden;
Den
haben sein Weib und sein Töchterlein
Nach der Arbeit für
mich gewunden.
Nun ade, nun ade, du kämpfende Welt,
Nun ade, ihr
ringenden Heere!
Nun ade, du pulvergeschwärztes Feld!
Nun
ade, ihr Schwerter und Speere!
Nun ade - doch nicht für immer
ade!
Wenn die letzte Krone wie Glas zerbricht,
In des Kampfes
Wettern und Flammen,
Wenn das Volk sein letztes "schuldig!"
spricht,
Dann stehn wir wieder zusammen!
Mit dem Wort, mit dem
Schwert, an da der Donau, am Rhein -
Eine allzeit treue
Gesellin
Wird dem thronezerschmetternden Volk
Die Geächtete,
die Rebellin!